Todesstrafe und politisch motivierte Hinrichtungen im Iran

Politisch motivierte Todesstrafen im Zusammenhang mit der Bewegung Woman-Life-Freedom

Die Vollstreckung der Todesstrafe im Iran hat international erhebliche Aufmerksamkeit und Besorgnis hervorgerufen, zumal sie ebenso in Strafverfahren wie in politischen Verfahren angewandt worden ist. In den ersten acht Monaten 2023 gab es im Iran nach Aussagen der nichtstaatlichen Organisation Iran Human Rights (IHRNGO) 489 Hinrichtungen, womit das Land in Bezug auf die Häufigkeit der Todesstrafe nur von China übertroffen wird. Die iranische Rechtsordnung ermöglicht die Todesstrafe für verschiedene Delikte wie Drogenkriminalität und Mord, und sogar die Hinrichtung politischer Häftlinge. Gegen viele politische Häftlinge gibt es nur vage formulierte Anschuldigungen wie „Krieg gegen Gott“ (Moharebeh), „Verbreitung von Verdorbenheit in der Welt“ (Efsad-e Fel Arz) oder „Beleidigung des Propheten“ (Sab-al-Nabi), und oft liegt lediglich Kritik am Staat, die Äußerung abweichender Meinungen oder Aktivismus zugrunde. In diesen Rechtssachen fehlt es an Transparenz, und man erfährt von Folterungen, erzwungenen Geständnissen, unzulänglichem rechtlichem Beistand und unfairen Verfahren; all das trägt zu einem gewaltigen Schwund an Vertrauen in das Rechtsprechungssystem bei.

Politische Häftlinge in iranischen Gefängnissen sind nicht nur von Todesurteilen betroffen. Tragische Vorfälle hat es auch gegeben durch Folterungen, den Missbrauch psychiatrischer Medikamente und Therapien und die Unterbringung politischer Häftlinge gemeinsam mit gewalttätigen Sträflingen. Beispielsweise kam Javad Rouhi, ein 31-jähriger inhaftierter Demonstrant, am 31. August 2023 unter dubiosen Umständen ums Leben, nachdem er furchtbare Folterungen und psychische Komplikationen durchgemacht hatte.

Politisch motivierte Todesstrafen, die die Bewegung „Woman-Life-Freedom“ betreffen

Der Tod von Jina Mahsa Amini, die am 16. September 2022 im Gewahrsam der iranischen Religionspolizei umkam, löste landesweite Proteste aus, die als Bewegung „Woman-Life-Freedom“ bekannt wurden und bis heute fortgesetzt werden. Mindestens sieben Männer sind aufgrund von Anschuldigungen im Zusammenhang mit diesen Protesten hingerichtet worden: Mohsen Shekari, Majid Reza Rahnavard, Mohammad Mehdi Karami, Seyed Mohammad Hosseini, Saleh Mirhashemi, Said Yaghoubi und Majid Kazemi. Darüber hinaus hat das iranische Menschenrechtszentrum mindestens zehn weitere Fälle politisch motivierter Hinrichtungen festgestellt.

Vertreter der Vereinten Nationen, unter ihnen der Sonderberichterstatter zur Lage der Menschenrechte im Iran und Mitglieder der Iran-Sondierungsmission, bringen immer wieder Besorgnis zum Ausdruck wegen der Anwendung der Todesstrafe durch den Iran zum Zweck der Unterdrückung von Grundrechten wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit. In einem Bericht vom 9. Mai 2023 verweisen Sachverständige der Vereinten Nationen ausdrücklich auf die Heranziehung von Todesurteilen und Hinrichtungen durch den Iran als Mittel politischer Unterdrückung. Die Hinrichtung politischer Häftlinge hat in der Islamischen Republik tiefe historische Wurzeln; es gibt Beispiele wie die Hinrichtung von vier iranischen Generälen am 16. Februar 1979, wenige Tage nach der Islamischen Revolution. Bis in die späten achtziger Jahre wurden Tausende von Iranern nach unfairen Gerichtsverfahren wegen ihrer Überzeugungen oder ihrer politischen Zugehörigkeit von islamischen Revolutionsgerichten zum Tod verurteilt und hingerichtet. Viele Berichte dokumentieren zudem allgemein übliche Folterungen einschließlich Vergewaltigungen von aufgrund politischer Aktivitäten inhaftierten Frauen vor ihrer Hinrichtung. Die iranischen Machthaber haben seit den 80-er Jahren gegen Dissidenten immer wieder Todesurteile, Hinrichtungen und Verschleppungen eingesetzt, und nach jeder Protestwelle im Land hat sich das verschärft.

Zurzeit warten mindestens sieben Inhaftierte, die an den Protesten von 2022 beteiligt waren, auf Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs in ihren Berufungsverfahren. Zu ihnen gehören Mojahed (Abbas) Kourkouri, Ebrahim Naroui, Kambiz Kharout, Mansour Dahmardeh, Shoeib Mirbaluchzehi Rigi, Manouchehr Mehman Navaz und Mohammad Ghobadlou. Außerdem haben sich mindestens drei Inhaftierte, darunter Milad Armoun, Mohammad Mehdi Hosseini und Alireza Kafaei, in Gerichtsverfahren wegen „Krieg gegen Gott“ zu verantworten, die auf Todesurteile hinauslaufen können. Abgesehen von denen, die im Zusammenhang mit den Protesten von 2022 in Haft sind, droht Abbas Deris, der nach den landesweiten Protesten vom November 2019 verhaftet wurde, wahrscheinlich die Hinrichtung, weil der Oberste Gerichtshof ihn wegen „Krieg gegen Gott“ verurteilt hat. Hier folgen Einzelheiten der Schicksale von zweien dieser Häftlinge, die denen anderer vergleichbar sind.

Zum Tod verurteilt: Mojahed (Abbas) Kourkouri

Der 40-jährige Iraner Mojahed (Abbas) Kourkouri wurde am 20. Dezember 2022 bei den Protestaktionen nach dem Tod von Jina Mahsa Amini verhaftet. Ihm droht mit hoher Wahrscheinlichkeit die Hinrichtung, nachdem ihm unter anderem „Krieg gegen Gott“, „Verdorbenheit auf Erden“ und „bewaffnete Rebellion gegen den Staat“ (Baghi) zur Last gelegt wurden, was ein Todesurteil zur Folge hat.

Am Mittwoch, dem 16. November 2022 gab es in mehreren iranischen Städten Massenproteste zur Unterstützung der Bewegung „Woman-Life-Freedom“ und zur Erinnerung an die Opfer der Repression vom November 2019, die laut Reuters die blutigste Aktion gegen Demonstranten seit der Islamischen Revolution von 1979 war. Die Sicherheitskräfte wandten Gewalt an und griffen mit Schusswaffen unbewaffnete Menschen an, wobei es im ganzen Land viele Todesopfer, Verletzte und Verhaftungen von Demonstranten gab. An diesem Tag um 17.30 Uhr griff eine Gruppe Bewaffneter im Marktviertel der südwestiranischen Stadt Izeh Demonstranten an, wobei tragischerweise die Kinder Kian Pirfalak (9 Jahre) und Sepehr Maghsoudi (14 Jahre) umkamen. Dieser Vorfall schürte in weiten Kreisen den Unmut der Iraner gegenüber der Islamischen Republik. Die Machthaber warfen Mojahed die Beteiligung an dem Angriff vor, woraufhin er am 20. Dezember 2022 bei einem Ereignis, das die staatlichen Medien als bewaffnete Auseinandersetzung bezeichneten, inhaftiert wurde.

Mojaheds Angehörige und der von ihm gewählte Anwalt haben bis April 2023 keine Informationen über seinen Aufenthaltsort und das Gerichtsverfahren erhalten. Über ihn wurde in einem unfairen Verfahren verhandelt, und die Behörden hinderten ihn daran, einen Rechtsbeistand zu wählen. Er erlitt körperliche und psychische Folterungen und wurde mit chemischen Mitteln zu einem Geständnis gezwungen. Im Dezember 2022 strahlten staatliche Medien seine erzwungenen Geständnisse aus, wobei sie ihn in einem angegriffenen Zustand mit erkennbaren Verletzungen zeigten. Seine Familie, besonders seine Mutter und seine Schwester Negar Kourkouri, waren seit der Verhaftung Druck und Drohungen ausgesetzt, weil sie sich für ihn einsetzten. Am 22. Juni 2023 meldete seine Familie, Sicherheitskräfte seien in die Wohnung eingedrungen und hätten Negar willkürlich festgenommen.

Im April 2023 verhängte ein Gericht das Todesurteil für Mojahed (Abbas) Kourkouri. In seinem Berufungsverfahren entscheidet der Oberste Gerichtshof des Iran.

Todesstrafe droht: Milad Armoun

Der 24-jährige Iraner Milad Armoun wurde am 3. November 2022 bei den „Woman-Life-Freedom“-Demonstrationen verhaftet. Er geht einer möglichen Todesstrafe entgegen, nachdem ihm aufgrund von erzwungenen Geständnissen und fingierten Beweisen „Krieg gegen Gott“ und Mord zur Last gelegt wird.

Am 26. Oktober 2022, als der Tod von Jina Mahsa Amini 40 Tage zurücklag, brachen in iranischen Städten große Proteste zur Unterstützung der Bewegung „Woman-Life-Freedom“ aus, mit aggressiven Reaktionen der Sicherheitskräfte. In der Stadt Ekbatan wurde Arman Aliverdi, Angehöriger der paramilitärischen Organisation Basidsch der „Wächter der Islamischen Revolution“, verletzt und starb später. Am 3. November 2022 sendete Fars News, ein den Revolutionswächtern nahestehender Kanal, einen Bericht mit einem Video, das Milad mit verbundenen Augen als angeblichen Angreifer zeigt, obwohl Milad in dem Video dieser Anschuldigung vehement widerspricht.

Berichte von Menschenrechtsorganisationen lassen erkennen, was Milad an schwerer physischer und psychischer Folter zur Erzwingung von Geständnissen durchgemacht hat und dass ihm in den Gerichtsverfahren Rechtsbeistand und amtliche Verteidigung versagt wurden. Nach jetzigem Stand droht ihm die Todesstrafe, weil ihm „Krieg gegen Gott“ und Mord zur Last gelegt werden. Aufgrund dieser Anklagepunkte wurden im Lauf der Jahre Tausende politische Häftlinge hingerichtet, und dazu gehören auch sieben Fälle, die mit der Bewegung „Woman-Life-Freedom“ zusammenhängen.

Am 10. Oktober 2023, dem Welttag gegen die Todesstrafe, wird die ACAT Luxemburg um 12.00 Uhr auf der Place d’Armes in Luxemburg-Stadt in Partnerschaft mit dem Comité National de défense des droits de l’homme en Iran und der Iranian Student Organisation, unterstützt durch Amnesty International Luxemburg, eine Mahnwache veranstalten, der um 12.00 Uhr beginnt. Unser Ziel ist es, der Öffentlichkeit und den Politikern die drängenden Probleme im Zusammenhang mit der Todesstrafe im Iran stärker bewusst zu machen. Wir bitten Sie darum, sich uns anzuschließen und durch Mobilisierung von noch mehr Teilnehmern zu einer großen Sichtbarkeit dieser Aktion beizutragen.

Internationaler Druck hat sich als sehr wirkungsvoll dabei erwiesen, Todesurteile und Hinrichtungen im Iran abzuwenden oder ihre Häufigkeit zu verringern.

Wir bitten Sie deshalb, den Appell zu unterzeichnen, der sich für Mojahed (Abbas) Kourkouri einsetzt. Wir schließen uns damit dem dringenden Appell von Amnesty International vom 28. Juni 2023 an.

Amnesty International hat eine Petition veröffentlicht, in der auf ein Ende der ausufernden Welle von Todesstrafen im Iran gedrungen wird. Diese Petition können Sie unter Verwendung des hier eingefügten Links unterzeichnen.

https://www.amnesty.lu/nos-petitions/halte-a-la-vague-dexecutions-en-iran/


Dossier und Brief herunterladen

Der Brief ist zu adressieren an:

Head of judiciary
Gholamhossein Mohseni Ejei
c/o Embassy of Iran to the EU
15 Avenue Franklin Roosevelt
1050 Bruxelles (Belgium)

Frankieren mit 1,40 €.
Nicht vergessen : Name, Vorname, Anschift, Datum, Unterschrift
Bitte schreiben Sie vor dem 31 Oktober 2023