Auf die Gruppe junger Männer, die in Saudi-Arabien zum Tode verurteilt wurden, sind wir bereits in unserem Newsletter von Dezember 2023 näher eingegangen. Ihnen werden „Verbrechen“ zur Last gelegt, die sie als Minderjährige begangen haben sollen. Unter ihnen sind Abdullah al-Derazi und Youssef al-Manasif, deren Hinrichtung nun unmittelbar bevorstehen könnte. Ihre Verurteilung basiert auf Geständnissen, die unter Folter erpresst wurden. Noch kann die Hinrichtung dieser beiden jungen Männer verhindert werden. Unterschreiben Sie deshalb bitte jetzt unseren dringlichen Appell.
Abdullah al-Derazi wollte Anwalt werden. Im Jahr 2014 wurde er als 18-Jähriger ohne Haftbefehl festgenommen wegen mutmasslicher Beteiligung an terroristischen Aktivitäten. Drei Monate lang wurde er an einem geheimen Ort festgehalten. Dabei wurden ihm Verbrennungen rund um die Augen und Verletzungen an Knie und Ohr zugefügt, zudem wurde er über lange Zeitspannen aufgehängt. Infolge dieser Misshandlungen musste er hospitalisiert werden und lag zwei Wochen im Koma. Die Behörden zwangen ihn unter der Folter, ein falsches Geständnis zu unterschreiben. Obwohl keine materiellen Beweise gegen ihn vorlagen, wurde Abdullah 2018 ohne Rechtsbeistand schuldig gesprochen. Ein Gericht bestätigte dieses Urteil 2022. Dem heute 28-jährigen Abdullah droht jederzeit und ohne Vorankündigung die Hinrichtung.
Youssef al-Manasif, ein kunstbegeisterter angehender Mechaniker, wurde im März 2017 im Alter von 20 Jahren festgenommen. Die Behörden nahmen ihn ohne Haftbefehl fest wegen Taten, die er als Jugendlicher begangen haben soll. In der Haft wurde Youssef an einer Treppe festgebunden und geschlagen, dann kam er für fünf Monate in Isolationshaft. Unter Folter wurde er gezwungen, ein Geständnis zu unterschreiben, in dem er seine Beteiligung an Terrorakten erklärte. Wie Abdullah, hatte auch Youssef erst nach seiner erstinstanzlichen Verurteilung zum Tode im Oktober 2022 Zugang zu einem Anwalt. Dieser wurde nicht über die Schritte des Verfahrens informiert, so dass er seine Verteidigung nicht vorbereiten konnte. Youssefs Schicksal liegt nun in den Händen des Obersten Gerichts, doch seine Chancen, einer Hinrichtung zu entgehen, sind verschwindend klein.
Abdullah und Youssef wurden beide zum Tode verurteilt für Taten, die sich angeblich ereignet haben
sollen, als sie unter 18 Jahre alt waren. Saudi-Arabien hat jedoch 2020 ein königliches Dekret angenommen,
welches die Todesstrafe für Minderjährige abschafft. Ein Jahr später ergänzte die saudische Menschenrechtskommission, wer als Kind eine Straftat begehe, auf der die Todesstrafe steht, unterstehe
nun einer höchstens zehnjährigen Haftstrafe.
Schliesslich wurde keiner der beiden Männer einer Straftat für schuldig befunden, die zum Tode eines anderen Menschen geführt hat. Das heisst, dass die ihnen vorgeworfenen Taten das Kriterium der
«schwersten Verbrechen» nicht erfüllen, wie es vom Völkerrecht zur Rechtfertigung der Todesstrafe gefordert wird.
Im Interventionsbrief ersuchen wir den saudischen Kronprinzen:
- die Hinrichtung von Abdullah und Youssef unverzüglich auszusetzen und
- sie zu begnadigen oder ihre Strafen umzuwandeln.
- Subsidiär sollen neue Verfahren angeordnet werden, bei denen die unter Folter erpressten Geständnisse ausgeschlossen und das königliche Dekret von 2020 berücksichtigt werden.
Ausserdem stellen wir fest, dass diese Hinrichtungen gegen für Saudi-Arabien verbindliche Verträge verstossen, namentlich das Übereinkommen gegen Folter und die arabische Menschenrechtscharta, deren
Artikel 6 festhält, dass die Todesstrafe nur für die «schwersten Verbrechen» verhängt werden kann.
Schliesslich weisen wir darauf hin, dass diese Hinrichtungen dem Ansehen Saudi-Arabiens stark schaden
könnten, insbesondere im Hinblick auf das 19. Internet Governance Forum, das am 15. Dezember 2024 in der Hauptstadt Riad stattfinden soll.
Quellen: Reprieve; Saudische Organisation für Menschenrechte ESOHR; Sonderverfahren des UNOMenschenrechtsrats.
Interventionsfrist: 15. Oktober 2024.
Übersetzung des Briefes
Seine Königliche Hoheit
Kronprinz Mohammad bin Salman bin Abdulaziz Al Saud
z. H. S.E. Dr. Khalid Ibrahim Al-Jindan
Botschafter von Saudi-Arabien – Botschaft von Saudi-Arabien
Eure Königliche Hoheit,
Als Mitglied/Unterstützer von ACAT-Luxemburg schreibe ich Ihnen, um meine tiefe Besorgnis über die bevorstehenden Hinrichtungen von Abdullah al-Derazi und Youssef al-Manasif auszudrücken.
Abdullah al-Derazi wurde 2014 im Alter von 18 Jahren ohne Haftbefehl festgenommen. Berichten zufolge wurde er gefoltert und zu einem Geständnis in Verbindung mit terroristischen Aktivitäten gezwungen. Er wurde im Februar 2018 zum Tode verurteilt, ohne rechtliche Vertretung zu erhalten. Bemerkenswert ist, dass einige der ihm vorgeworfenen Taten angeblich begangen wurden, als er noch minderjährig war, wobei keiner der Vorwürfe mit einem Todesfall in Verbindung steht. Sein Urteil wurde 2023 vom Obersten Gerichtshof bestätigt, ohne dass seine Familie darüber informiert wurde. Nun droht ihm die baldige Hinrichtung.
Ähnlich erging es Youssef al-Manasif, der 2017 verhaftet wurde. Er wurde Berichten zufolge gefoltert und zu einem Geständnis gezwungen. Ihm wurde bis 2022 kein Anwalt zur Seite gestellt. Die Anklagen gegen ihn, unter anderem die Teilnahme an Beerdigungen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren, betreffen Straftaten ohne tödlichen Ausgang und beruhen auf seinem erzwungenen Geständnis, ohne dass glaubhafte Beweise vorliegen. Sein Todesurteil wurde 2024 bestätigt, und seine Familie wurde erst nach der Verurteilung informiert. Sein Fall liegt nun beim Obersten Gerichtshof und er ist in unmittelbarer Gefahr der Hinrichtung, falls das Urteil aufrechterhalten wird.
Im Jahr 2020 erweiterte Saudi-Arabien das Jugendrecht von 2018 durch ein Königliches Dekret, das rückwirkend die Todesstrafe für Minderjährige abschaffte. Kurz darauf erklärte die Saudi-Arabische Menschenrechtskommission, dass Minderjährige, die zuvor für die Todesstrafe infrage kamen, nun maximal zu einer Gefängnisstrafe von zehn Jahren verurteilt werden könnten. Trotz dieser Verpflichtungen droht Abdullah al-Derazi und Youssef al-Manasif die Hinrichtung für mutmaßliche Straftaten, die sie angeblich als Minderjährige begangen haben sollen.
Weder Abdullah al-Derazi noch Youssef al-Manasif wurden wegen Taten angeklagt, die mit einem Todesfall oder körperlichem Schaden verbunden sind. Ihre Todesurteile erfüllen nicht die Anforderungen des internationalen Rechts für „schwerste Verbrechen“, wie sie in Artikel 6 der Arabischen Charta der Menschenrechte, der Saudi-Arabien als Vertragsstaat angehört, festgelegt sind.
Angesichts der Dringlichkeit der Angelegenheit bitten wir die Regierung Eurer Königlichen Hoheit nachdrücklich, folgende Maßnahmen zu ergreifen:
a. Von der Durchführung der Hinrichtungen von Abdullah al-Derazi und Youssef al-Manasif abzusehen;
b. Ihnen Gnade zu gewähren oder ihre Strafen umzuwandeln;
c. Alternativ, das Urteil des Obersten Gerichtshofs von Abdullah al-Derazi zu überprüfen und sicherzustellen, dass es vollständig im Einklang mit dem Königlichen Dekret von 2020 steht und alle unter Folter erlangten Beweise ausgeschlossen werden;
d. Alternativ, sicherzustellen, dass der Prozess von Youssef al-Manasif vor dem Obersten Gerichtshof im Einklang mit dem Königlichen Dekret von 2020 steht und alle unter Folter erlangten Beweise ausgeschlossen werden.
Diese Fälle haben erhebliche Aufmerksamkeit von UN-Sonderberichterstattern und prominenten Mitgliedern der Zivilgesellschaft erhalten. Angesichts des 19. Internet Governance Forums (IGF), das am 15. Dezember in Riad stattfinden soll, könnte die Hinrichtung von Abdullah al-Derazi oder Youssef al-Manasif das internationale Ansehen Saudi-Arabiens schwer beschädigen. Das internationale Netzwerk von ACAT behält sich das Recht vor, nationale Behörden, die für auswärtige Angelegenheiten zuständig sind, sowie die Zivilgesellschaft und die Teilnehmer des IGF zu alarmieren, falls das Risiko solcher Hinrichtungen bestehen bleibt.
Hochachtungsvoll
Der Brief ist zu adressieren an:
Seine Königliche Hoheit Kronprinz
Mohammad bin Salman bin Abdulaziz Al Saud, Riad
z. Hd. Seiner Exzellenz Dr. Khalid Ibrahim Al-Jindan,
Botschafter von Saudi-Arabien, Botschaft von Saudi-Arabien,
Av. Franklin Roosevelt 45, 1000 Brüssel, Belgien.
Frankieren mit 1,40 €.
Kopie:
Seine Exzellenz Dr. Khalid Ibrahim Al-Jindan,
Botschafter von Saudi-Arabien, Botschaft von Saudi-Arabien,
Av. Franklin Roosevelt 45, 1000 Brüssel, Belgien.
Frankieren mit 1,40 €.